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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 639

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 626/16, Beschluss v. 09.05.2017, HRRS 2017 Nr. 639


BGH 1 StR 626/16 - Beschluss vom 9. Mai 2017 (LG Augsburg)

Grundsätze der Strafzumessung (Berücksichtigung der „Unbelehrbarkeit“ eines Angeklagten).

§ 46 Abs. 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Strafausspruch ist rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht zu Lasten des Angeklagten eine „erhebliche Unbelehrbarkeit“ berücksichtigt, die sich darin manifestiere, „dass er allein seine eigenen - abwegigen - Rechtsansichten akzeptiert und dabei nicht davor zurückschreckt, vorsätzliche Straftaten zu begehen, um die seiner Meinung nach richtige Ansicht durchzusetzen, obgleich ihm Behörden und Gerichte wiederholt bescheinigt haben, dass er im Unrecht ist“. Das lässt eine zu Unrecht erfolgte strafschärfende Berücksichtigung von (noch) zulässigem Verteidigungsverhalten besorgen.

2. Grundsätzlich darf als Nachtatverhalten nicht zu Lasten eines Angeklagten gewertet werden, dass er - selbst nach Rechtskraft des Schuldspruchs - die Tatbegehung weiterhin leugnet. Dabei macht es im rechtlichen Ausgangspunkt regelmäßig keinen entscheidenden Unterschied, ob dies durch Leugnung der Täterschaft aus tatsächlichen Gründen oder durch rechtliche Erwägungen, wie die Überzeugung sich gegen vermeintlich rechtswidriges Verhalten des Staats wehren zu dürfen, erfolgt.

3. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf lediglich dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn es im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28. Juli 2016 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bankrotts in Tateinheit mit vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht, in mehrfacher Hinsicht das Verfahren beanstandet und die Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel erzielt keinen Erfolg.

1. Ein auf die behauptete Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes im Zusammenhang mit durch das Großherzogtum Luxemburg geleisteter Rechtshilfe gestütztes Verfahrenshindernis besteht aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht.

2. Die von dem Angeklagten in seiner zu Protokoll der Geschäftsstelle begründeten Revision erhobenen Verfahrensbeanstandungen entsprechen sämtlich nicht den in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO enthaltenen gesetzlichen Zulässigkeitsanforderungen.

3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB kann in der Variante des Verheimlichens auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter eine Auskunfts- oder Anzeigepflicht verletzt (Radtke/Petermann in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 283 Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 20. Dezember 1957 - 1 StR 492/57, BGHSt 11, 145, 146 f. bzgl. § 239 Abs. 1 Nr. 1 KO). Die vom Angeklagten verletzte Pflicht hat vorliegend ihre Grundlage in § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Gegen die Annahme von Tateinheit zwischen dem Bankrott und der falschen Versicherung nach Eides Statt (§ 156 StGB) ist rechtlich nichts zu erinnern (vgl. auch BGH aaO BGHSt 11, 145, 147 bzgl. § 239 Abs. 1 Nr. 1 KO und - nach damaliger Rechtslage einschlägig - Meineid).

4. Der nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei begründete Strafausspruch kann bestehen bleiben, weil der Senat die Strafe gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO für angemessen hält.

a) Der Strafausspruch ist insoweit rechtsfehlerhaft als das Landgericht zu Lasten des Angeklagten eine „erhebliche Unbelehrbarkeit“ berücksichtigt hat, die sich darin manifestiere, „dass er allein seine eigenen - abwegigen - Rechtsansichten akzeptiert und dabei nicht davor zurückschreckt, vorsätzliche Straftaten zu begehen, um die seiner Meinung nach richtige Ansicht durchzusetzen, obgleich ihm Behörden und Gerichte wiederholt bescheinigt haben, dass er im Unrecht ist“. Das lässt eine zu Unrecht erfolgte strafschärfende Berücksichtigung von (noch) zulässigem Verteidigungsverhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2007 - 1 StR 199/07; vom 4. August 2010 - 3 StR 192/10; vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11, NStZ-RR 2011, 373, 374 und vom 29. Januar 2014 - 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396, 397) besorgen. Grundsätzlich darf als Nachtatverhalten nicht zu Lasten eines Angeklagten gewertet werden, dass er - selbst nach Rechtskraft des Schuldspruchs - die Tatbegehung weiterhin leugnet (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396, 397 mwN). Dabei macht es im rechtlichen Ausgangspunkt regelmäßig keinen entscheidenden Unterschied, ob dies durch Leugnung der Täterschaft aus tatsächlichen Gründen oder wie hier durch rechtliche Erwägungen, wie die Überzeugung sich gegen vermeintlich rechtswidriges Verhalten des Staats wehren zu dürfen, erfolgt. Zwar sind, wie vom Landgericht insoweit beanstandungsfrei angenommen, die Ausführungen des Angeklagten rechtlich völlig fernliegend. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf aber lediglich dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn es im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; siehe nur BGH aaO NStZ 2014, 396, 397). Diese Voraussetzungen ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil nicht.

b) Auf der Grundlage des zutreffend ermittelten, im Übrigen vollständigen und aktuellen Strafzumessungssachverhalts kann aber der Senat selbst entscheiden, dass die vom Landgericht verhängte Strafe angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO ist. Maßgeblich dafür ist insbesondere, dass der Angeklagte die hier fragliche Tat gerade auch zum Nachteil derjenigen begangen hat, die bereits durch seine früheren Betrugstaten betroffen waren. Zudem ist der Angeklagte mit erheblicher krimineller Energie vorgegangen, die sich u.a. in dem von ihm betriebenen großen Aufwand niederschlägt, um eine Entdeckung der von ihm nach Luxemburg transferierten Gelder auf Dauer zu verhindern.

Der Senat hat auf die geplante Vorgehensweise gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der lediglich der Angeklagte selbst Gebrauch gemacht hat. Gegen die Angemessenheit der Strafe sprechende Gesichtspunkte ergeben sich daraus nicht.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 639

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2017, 250; StV 2018, 162

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner